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Die Schlosskirche Philippseich

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Kirchenführer Schlosskirche Philippseich

Versteckt hinter altem Baumbestand im Hofgut Philippseich erhebt sich unscheinbar die kleine Schlosskirche im Park. Obwohl in der Gemarkung Götzenhain gelegen, gehört sie mit dem angrenzenden Friedhof zur Burgkirchengemeinde Dreieichenhain. Die Erklärung dafür liegt in der lokalen kirchengeschichtlichen Entwicklung. Ursprünglich schloss die reformiert geprägte Pfarrei Philippseich auch die Bewohner des Guts Neuhof und der umliegenden Isenburgischen Orte ein, die dem Bekenntnis des Reformators Johannes Calvin verpflichtet waren. Besonders eng war jedoch die Verbindung zur "reformierten Pfarrei im Hayn", dem heutigen Dreieichenhain. Im Jahr 1769 erfolgte die Vereinigung dieser beiden Gemeinden. Nach der Union zwischen der lutherischen und der reformierten Pfarrei entstand 1830 schließlich eine am unierten Bekenntnis ausgerichtete Kirchengemeinde mit den beiden Gotteshäusern Burgkirche Dreieichenhain und Schlosskirche Philippseich: Die heutige Burgkirchengemeinde.

 

Die Zeit der Grafen - Anfang

Über die Entstehungszeit der Schlosskirche liegen keinerlei Unterlagen mehr vor. Jedoch lässt die in zwei Glocken eingravierte Zahl 1704 auf eine Einweihung in diesem Jahr schließen. Das die Kirche umgebende und heute in privatem Besitz befindliche Hofgut Philippseich ist im 17.Jahrhundert zunächst ein herrschaftlicher Tiergarten des Grafen Johann Ludwig von Isenburg, der dort 1667 das erste Jagdschloss erbaute. Nach seinem Tod erhält bei der Teilung des Besitzes Wilhelm Moritz den Birsteiner Anteil. Der Hayner Teil mit Philippseich und der Residenz in Offenbach fällt an den anderen Sohn Johann Philipp, der dem Tiergarten seinen Namen gibt. Er stiftet mit einer Urkunde am 29. Februar 1716 dort auch die erste reformierte Pfarrei. In diesem Zusammenhang erhält Philippseich ferner eine Schule und ein Pfarrhaus. Mit der Zeit wird der Tiergarten vergrößert. Im Zuge der Errichtung weiterer Gebäude und dem Ausbau der Tierhaltung sowie der landschaftlichen Nutzung wächst das Anwesen schließlich zu einer kleinen geschlossenen Siedlung und dient gleichzeitig als Residenz des Grafen Johann Philipp, der bis zum Tod seiner ersten Frau 1707 in kinderloser Ehe lebt. Schon ein Jahr später, am 21. Juli 1708, heiratet er Gräfin Wilhelmine Charlotte von Sayn-Wittgenstein. Am 16. September 1715 kommt die einzige Tochter, Luise Charlotte, zur Welt. Fast auf den Tag genau drei Jahre später stirbt Johann Philipp, der "treusorgende Vater für Offenbach" und wird in der Offenbacher Gruft beigesetzt. Seine zweite Frau überlebt ihn um 18Jahre.

 

Die Zeit der Grafen - Entwicklung

Die Betreuung der reformierten Pfarrei wird ab Oktober 1715 bis zur Kirchenvereinigung von acht verschiedenen Pfarrern wahrgenommen. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist sehr klein. Im Jahre 1765 beispielsweise beträgt sie 43 Personen, von denen nur 17 in Philippseich wohnen. Zur Zeit des Pfarrers Dr. Wilhelm Hadermann im Jahre 1802, also knapp 100 Jahre nach der Errichtung, erfährt die Schlosskirche die erste durchgreifende Innenrenovierung. Zu den Maßnahmen gehören beispielsweise der Kauf einer Orgel, die auf einer neu zu errichtenden Empore installiert wird, und eine andere Kanzel. Auch die Kirchenstühle werden erneuert. Der Altar erhält eine andere Verkleidung. Der gesamte Innenraum wird schließlich mit einem frischen Anstrich versehen. Nach der Union, mit der die Notwendigkeit eines eigenen Pfarrhauses in Philippseich entfällt, findet von Dreieichenhain aus 14-tägig ein Gottesdienst in der Schlosskirche statt. Inzwischen residiert Graf Heinrich Ferdinand (1770-1838) in seinem neu erbauten Schloss. Er muss die Einquartierung französischer Soldaten der Revolutionsarmee hinnehmen. Philippseich leidet stark unter ihren Ausschreitungen und Plünderungen. Der zu zahlende hohe Kriegstribut bringt die Herrschaft Isenburg-Philippseich in große finanzielle Schwierigkeiten. Nach der militärischen Niederlage rücken österreichisch-ungarische Truppen ein. Da sie vorwiegend dem reformierten Bekenntnis angehören, werden auf besonderes Verlangen wieder zahlreiche Gottesdienste in der Schlosskirche abgehalten. Mit der Aufhebung der Gebietsherrschaft im Jahre 1816 ist Philippseich die Grundlage zu einer Weiterentwicklung entzogen. Anstelle eines erhofften blühenden dörflichen Gemeinwesens bietet sich ein Bild wirtschaftlicher Not, das bald nur noch den Schein alter Standesherrlichkeit trägt

 

Die Zeit der Grafen - Ende

Graf Ferdinand, von der Bevölkerung ungeliebt und als menschenfeindlicher Sonderling betrachtet, kann dem drohenden Verfall nichts entgegensetzen. Als mit seinem Tod 1920 das Geschlecht der Philippseicher ausstirbt, droht dem Anwesen die völlige Verwahrlosung. Neben den anderen Gebäuden ist davon auch die Kirche betroffen. Sie bietet einen trostlosen Anblick mit dem baufälligen Türm, dem Rest einer Orgel und zerbrochenen Fenstern. 1927 findet noch einmal ein letzter Gottesdienst statt. Nur die Grüfte des letzten Grafen und seiner beiden Töchter Irmgard und Elisabeth sowie das Birsteiner Wappen erinnern noch an vergangene fürstliche Zeiten.

Dornröschenschlaf und Wiedererwachen

Fehlende finanzielle Mittel sind weiterhin die Ursache für den fortschreitenden Verfall des Anwesens und der Schlosskirche. Auch ein vorübergehender Aufenthalt des Kunstmalers Wilhelm Fahrenbruch kann keine Wende herbeiführen. Zudem ziehen sich die Verhandlungen der Kirchengemeinde mit der fürstlichen Rentkammer in Birstein über die finanzielle Zuständigkeit immer mehr in die Länge. Mit ihr ist über die Philippseicher Stiftungskassedie Baulast für die Schlosskirche verbunden. Erst 1937, nachdem der größte Teil der Philippseicher Gemarkung der Gemeinde Götzenhain zugeteilt wird, können erneut Renovierungsarbeiten am Gotteshaus durchgeführt werden. Aber diese Maßnahmen wären in den Anfängen steckengeblieben, wenn nicht fünf Jahre später der Frankfurter Bauunternehmer Dr. Robert Kögel das gesamte Anwesen gekauft und in den folgenden Jahren auf vorbildliche Weise wieder instand gesetzt hätte. Er unterstützte auch die Bemühungen des Dreieichenhainer Kirchenvorstandes, der Kirche im Inneren und Äußeren wieder ein ansehnliches Gesicht zu geben und für den Gottesdienst nutzbar zu machen. Durch Stiftungen von zwei Glocken, der Orgel mit zwei Manualen und 10 Registern, des Taufbeckens, der Kanzel, des Altars und der Bestuhlung legt er den Grundstein für eine erneute Nutzung der Kirche. Am Pfingstsonntag 1946 findet nach fast 20-jähriger Unterbrechung in Philippseich wieder der erste Gottesdienst statt.

Weitere Renovierungen

Nachdem die Schlosskirche sich nun wieder in funktionsfähigem Zustand befindet, nimmt der Kirchenvorstand der Burgkirchengemeinde Dreieichenhain seine Verpflichtung ernst, sie wieder regelmäßig zu nutzen. Dies geschieht durch Gottesdienste und Andachten in den unterschiedlichsten Formen. Gelegentlich lädt die Gemeinde jetzt auch zu kirchenmusikalischen Veranstaltungen ein. Unter Mitwirkung des Kirchenchores wurde beispielsweise ein Rundfunkgottesdienst weit über die Grenzen Deutschlands ausgestrahlt. Nach einer Erneuerung des Außenputzes 1974 und dem Einbau einer modernen Heizungsanlage zwei Jahre später, bei dem bisher unbekannte Grüfte von Mitgliedern der gräflichen Familie freigelegt wurden, entschließt sich der Kirchenvorstand 1983 zu einer weiteren Außen und Innenrenovierung. Gleichzeitig werden das Dach und der Turm saniert. Letzterer erhält auch ein neues Kreuz. Die nicht mehr funktionstüchtige Kirchenuhr, eine der ältesten in Deutschland, kann mit Hilfe einer großzügigen Spende ebenfalls erneuert werden. Und nicht zuletzt können die Gottesdienstbesucher die Kirche durch ein neues Portal betreten.

Als Folge dieser Maßnahmen ergibt sich die Notwendigkeit einer Neugestaltung des Innenraumes. Der Kirchenvorstand entschließt sich, über die Ausbesserung vorhandener Schäden und Risse hinauszugehen und dem in eintönigem Grau gehaltenen Innenanstrich eine neue Farbe zu geben. Nach Erstellung einer' gründlichen Dokumentation wird die ursprüngliche Farbgebung ermittelt und bei den vorhandenen Bögen und Holzteilen der frühere zarte Grünton wieder angebracht. In einem weiteren bisher letzten Schritt erfährt schließlich auch die Orgel eine gründliche Reinigung und Restaurierung durch die Firma Förster und Nikolaus aus Lich in Oberhessen.

Ein Ort, "da Gottes Ehre wohnt"

Die intensiven Bemühungen des Kirchenvorstandes der Burgkirchengemeinde Dreieichenhain, die Unterstützung und erhebliche Zuschüsse der Kirchenverwaltung sowie die Spendierfreudigkeit der Gemeindeglieder haben dazu geführt, dass in der ehemaligen gräflichen Residenz und dem jetzigen Hofgut Philippseich wieder ein schmuckes Gotteshaus in einwandfreiem Zustand zur Verfügung steht. Seine idyllische Lage, seine Geschichte und sein besonderer Charakter machen es für die weitere Umgebung zu einem sakralen Kleinod. Die Schlosskirche ist nun auch im "Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler" erwähnt und als Kulturdenkmal in die Denkmalstopographie des Kreises Offenbach aufgenommen.

Im Sommerhalbjahr finden zahlreiche Gemeindeglieder aus der Burgkirchengemeinde Dreieichenhain und Besucher/-inenn aus der ganzen Region zu den beliebten Abendandachten zusammen, die von Pfarrer/-innen des gesamten Evangelischen Dekanats Dreieich gestaltet werden. Zur besonderen kirchenmusikalischen Gestaltung tragen Chöre und Musiker/-innen aus dem ganzen Umkreis bei.

Neben der Burgkirche in Dreieichenhain wählen immer wieder auch auswärtige Brautpaare gerade diese Kirche für ihre Trauung. Nach der wechselvollen Geschichte dieser Kirche ist es der Wunsch der Burgkirchengemeinde, dass sich den Besuchern der Schlosskirche Philippseich in Gottesdienst und Andacht die Aussage des Psalmbeters erschließt: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt." (Psalm 26.8)

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